Von Höhen und Tiefen, rosa Wolken und Weihnachtsstimmung
122 Tage Schweden. Mein 4. Monat hier ist tatsächlich um und ich muss ehrlich sagen, bisher war das für mich der schwerste. Dabei hat zunächst alles ganz normal angefangen. Ein schönes Wochenende mit Ausflug in den Skansen mit meinen Aupair-Freundinnen und mit der Geburtstagsfeier von meinem kleinsten Gastmädchen. In der folgenden Woche habe ich dann allerdings schon gemerkt, dass die nächste fette Erkältung im Anmarsch ist und am Sonntag lag ich dann schließlich ganz flach. So verbrachte ich also den Sonntag in meinem Bett und hatte vermutlich einfach viel zu viel Zeit zum Nachdenken. Und beim Nachdenken überkam mich dann doch schließlich zum ersten Mal seit ich hier in Schweden angekommen bin ein leichtes Gefühl von Heimweh. Es war jetzt nicht so schlimm, dass ich am liebsten meine Koffer gepackt und mich ins nächste Flugzeug gesetzt hätte, aber es war ein Gefühl von "Warum bin ich jetzt hier?" und "Zuhause wäre es jetzt doch eigentlich auch ganz schön". Zum Glück war ich Montag wieder einigermaßen fit und konnte normal arbeiten, wodurch zumindest für Ablenkung gesorgt war. Die Gedanken und ein etwas ungutes Gefühl begleiteten mich trotzdem noch ein wenig durch die Woche, aber wer mich kennt weiß, dass ich einfach kein Freund von negativen Gedanken bin und lieber immer versuche das Positive zu sehen und so beschloss ich schnell für mich, dass ich mich nicht in diesen negativen Gedanken verlieren möchte, sondern weiterhin das Beste aus dieser doch sehr begrenzten Zeit herausholen und sie einfach genießen möchte. Woher dieser Anflug von Heimweh plötzlich kam? Ich habe keine Ahnung. Vermutlich war es einfach ein Zusammenspiel aus vielen verschiedenen Faktoren. Die Tage hier wurden kurzer, die Dunkelheit kam immer früher und man hatte schon um 16 Uhr (mittlerweile auch noch früher) das Gefühl, dass man sich jetzt einfach nur noch ins Bett legen möchte. Auch wenn mich die Dunkelheit an sich eigentlich gar nicht so stört, geht doch irgendwie ein wenig der Tatendrang und die Abenteuerlust verloren. Dann kam dazu, dass die anfängliche Euphorie und das Gefühl jeden Tag etwas Neues zu erleben, nach drei Monaten so langsam eben doch einem Gefühl von Alltag weichen musste und plötzlich findet man nicht mehr alles aufregend und toll, sondern das ein oder andere eben auch mal nervig und blöd. Außerdem kam neben dem Vermissen bestimmter Personen in Deutschland dann auch noch dazu, dass sich die Lage mit Corona ja wieder stark verschlechtert hat und ich es als komisch empfunden habe, in so einer unsicheren und unabsehbaren Situation so weit weg von meinem eigentlichen Umfeld zu sein...Zumal man die Entwicklungen in Deutschland ja verfolgt und dann diesen ganz anderen Weg beobachtet den Schweden geht...Nachdem ich mich nun aber einigermaßen erfolgreich aus diesem ersten kleinen Tief befreit hatte, bekam ich direkt pünktlich zum nächsten Wochenende einen Schlag ins Gesicht. Und zwar diesmal in Form von Magen und Darm. Wenn man mit Kindern zusammenlebt, die alle möglichen Krankheiten aus der Schule und aus dem Kindergarten anschleppen, bleibt man aber auch wirklich von nichts verschont...Spucken ist wirklich immer scheiße, aber wenn man ein Wochenende lang in einem Haus spuckt, in dem man sich zwar mittlerweile wirklich Zuhause fühlt und dessen Bewohner man wirklich ins Herz geschlossen hat, aber das eben trotzdem nicht Zuhause und die eigene Familie ist, ist es wirklich einfach nur furchtbar. Nach einem Wochenende ohne richtige Nahrungsaufnahme hatte ich dann zum Glück auch diese Krankheit hinter mir gelassen und es folgte eine herrlich normale Woche, die in ein wunderschönes Wochenende mit zwei meiner Aupair-Freundinnen mündete. Ein wunderschönes Wochenende mit feuchtfröhlichem Freitagabend und einem tollen Ausflug nach Trosa inklusive Harry Potter-Marathon. Aber es hätte einfach nicht zu diesem Monat gepasst, wenn nicht auch dieses, eigentlich perfekte Wochenende mit einem Problem geendet hätte. Eine enge Kontaktperson einer meiner Freundinnen mit denen ich in Trosa war, wurde Corona positiv getestet und um meine Gastfamilie zu schützen, beschloss ich, mich in Isolation zu begeben, bis eine Ansteckung (zumindest fast) ausgeschlossen werden konnte. So verbrachte ich also vier Tage allein in meinem Zimmer, das ich nur verließ, wenn meine Gasteltern auf der Arbeit und meine Gastkinder in der Schule bzw. im Kindergarten waren. Immerhin blieben meine Schnelltests negativ, mir ging es körperlich super und ich nutzte die Zeit, um meine Bewerbung für das Referendariat soweit vorzubereiten, dass ich, wenn ich über Weihnachten in Deutschland bin, nur noch einige Papiere zusammensuchen muss und dann tatsächlich und eigentlich fast zu früh, alles beisammen habe. Dass mir sowas mal passiert, hätte wohl niemand, der mich kennt, geglaubt. Auch wenn ich die Tage in Isolation nach meinem Tief am Anfang des Monats deutlich besser weggesteckt habe, als befürchtet, war ich dann trotzdem sehr froh, als ich Freitag mit gutem Gewissen mein Zimmer wieder verlassen konnte. Und tatsächlich hab ich zum Abschluss des Monats auch nochmal ein sehr schönes Wochenende mit meinen Aupair-Freundinnen verbringen können, an dem wir am heutigen Sonntag nach zwei Wochen dann sogar endlich wieder alle vier vereint waren. Trotz einiger, vor allem gesundheitlicher Tiefs, gab es also natürlich auch diesen Monat wieder einige wirklich tolle und schöne Momente. Vor allem war es ein Traum, einen ersten Eindruck vom schwedischen Winter zu bekommen. Ich kann mich zwar nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal in Norddeutschland solche Temperaturen (wir hatten schon ca. -15 Grad) erlebt habe, aber trotz der Kälte hat der Winter hier einfach seinen ganz eigenen Zauber. Vor allem vormittags, wenn es noch hell ist und die Sonne scheint, gibt es eigentlich nichts schöneres als durch einen vereisten und verschneiten Wald zu laufen und als dann sogar die Ostsee vor unsere Haustür komplett zugefroren ist, konnte ich es kaum glauben. Ich bin fast traurig, dass es hier gerade wieder wärmer wird, aber die Winter wird sicher nochmal zurückkommen. Außerdem sind die Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge hier im Winter an vielen Tagen einfach der Wahnsinn. Man schaut raus und es ist einfach der ganze Himmel rosa und gefühlt jeden Tag, an dem die Sonne sich blicken lässt, wird es schöner. Die Adventszeit in einer anderen Familie und in einem anderen Land zu erleben ist natürlich auch ein Traum. Hier in und um Stockholm ist es wirklich überall total schön geschmückt und fast alle Häuser und Straßen leuchten, was die Dunkelheit viel zauberhafter und schöner werden lässt. Man lernt neue Traditionen und Bräuche, Lieder, Essen und Trinken kennen und kann schwedische Weihnachtsmärkte besuchen. Vermutlich war ich vor allem deshalb und natürlich durch meine Gastmädchen, die schon voller Aufregung sind, dieses Jahr besonders früh und besonders stark in Weihnachtsstimmung. Insgesamt war mein vierter Monat ein schwerer, aber ich glaube auch ein sehr wichtiger Monat für mich. Ich habe gemerkt, dass sich so ein Auslandsaufenthalt nicht immer nur perfekt und wie ein Traum anfühlt, sondern dass man auch lernen muss, mit anderen Gefühlen umzugehen, nicht so schöne Zeiten zu meistern und dass Vermissen und ein bisschen Heimweh einfach dazugehören. Und ich denke, dass es auch diese Erfahrungen, Gedanken und Gefühle sind, die dieses Abenteuer und diesen Aufenthalt so wertvoll machen und am Ende wächst man daran, wenn man sieht, dass man sich selbst aus solchen kleinen Tiefs herausholen kann. Der nächste Monat wird mit Weihnachten, meinem Heimatbesuch, Silvester und vielen anderen Dingen sicher auch wieder sehr aufregend, ich hoffe allerdings, dass er deutlich weniger von Tiefen und stattdessen von ganz vielen Höhen geprägt wird- Ich bin auf jeden Fall bereit und freue mich auf alles, was kommt.




